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Lange Straße

von Andreas Lindemeier

Lange Straße (Signatur te_0089)

Die Lange Straße war und ist die Hauptachse der kleinen Stadt. Sie verläuft in dem damals von einer Stadtmauer befestigten Ort vom Unteren Tor (187m) in westliche Richtung zum Oberen Tor (195m). Sie war Teil der wichtigen Fernverkehrsstraße von Einbeck über Moringen nach Uslar bzw. Hann.-Münden.

Lange Staße (Signatur he_0007)Lange Straße (Signatur he_0079)

Die Straße verläuft bis zur Burgstraße linear und macht dann zum Oberen Tor hin eine Rechtsbiegung. Mit den heutigen Geländeverhältnissen ist dieser gebogene Verlauf nicht zu erklären. Möglich, dass vor der Stadtbefestigung auf der Anhöhe zwischen dem morastigen Gebiet im Bereich der Schöttelbeeke und der Anhöhe der Burg lediglich eine kleine Reihensiedlung bis zur heutigen Burgstraße bestand, die dann später zum Oberen Tor, für das man vom Geländeprofil her einen günstigen Standort auswählte, verlängert wurde.

1383 verlieh Herzog Otto der Quade Hardegsen die Stadtrechte. Die Stadt entwickelte sich innerhalb der Stadtmauer. Das Rathaus der Stadt wurde in der Mitte der Langen Straße 1416 errichtet.
Mehrere große Brände wüteten in der kleinen Stadt. Im Jahre 1408 wurde der ganze Ort eingeäschert. 1510 wurde der Ort von der zweiten Feuersbrunst heimgesucht. 1511 brach der nächste Brand aus und 1535 wurden die Häuser vom dem Oberen Tor bis zum Rathaus vernichtet. Schon wenige Jahre später, 1553, wurden die neu errichteten Häuser wieder ein Raub der Flammen.

Der größte Brand ereignete sich am 24.12.1678. Es wurden 60 sogenannte Brauhäuser, 47 Kötnerhäuser, sowie 68 Scheunen und Stallungen zerstört. Die gesamte Ernte verbrannte. Es starben 25 Stück Rindvieh, 104 Schweine, zahlreiches Geflügel. Menschen kamen nicht zu Schaden. Der damalige Superintendent Georgius Schrader schrieb in seinem Bericht über den Brand in das Kirchenbuch der Hardegser St.Mauritius-Kirche: »…,dass ein großer Brand des vormittags zwischen neun und zehn Uhr entstanden, so hinter dem Rathause in einer Witwen Hause, die Brändische genandt, aus dem Backofen den Anfang genommen. Sich von dannen ausgebreitet, dass in kurzer Zeit und noch vor abends alle Gebäude hinter dem gedachten Rathause und auch die Lange Straße vom Untern Tor bis ans Obere Tor, auch die Beistraßen bis an den Kirchhof und die Burgstraße bis an das Pfarrhaus und Bürgermeister Domeyers Wohnhaus, ja das Rathaus samt dem daran gebauten Gildehaus gänzlich in die Asche gelegt.«

»Damals waren die meisten Häuser noch mit Stroh bedeckt, die Straßen schmal, auch die Lange Straße wies noch nicht die heutige Breite auf. Die Häuser standen eng aneinandergebaut, die Dächer traufseitig zur Straße, so dass die brennenden Strohdächer auf die Straße rutschten und die Löscharbeiten behinderten, was bei dem strengen Frost an diesem Tag ohnehin schon sehr erschwert war.« (Ludwig Simon).

Ein großes Brandrisiko ging von den Backöfen aus, die vor dem Brand 1678 in etlichen Häusern regelmäßig beheizt wurden. Ferner hatten die Häuser keine festen Schornsteine für die Holzöfen, sondern offene Rauchfänge. War ein Feuer entflammt, konnte es sich vor allem über die dicht an die Häuser gebauten Schuppen ausbreiten. Hier lagerte oft Stroh und Heu. Brennende Ratten und Mäuse trugen die Flammen neben den Windböen in die Nachbargebäude.
Nach dem verheerenden Brand regelte eine Feuerordnung zum Brandschutz den Wiederaufbau. Die Lange Straße wurde breiter angelegt, zwischen den Häusern sollte ein Abstand gelassen werden, damit man dazwischen durchgehen konnte. Heute noch deutlich zwischen den Häusern im mittleren Teil der Straße sichtbar. Backöfen in Privathäusern wurden verboten und alle Dächer mussten mit gebrannten Ziegeln belegt werden.

Lange Straße (Signatur li_0607)

Die nach 1678 errichteten Fachwerkgiebelhäuser prägen noch heute die Lange Straße zwischen Rathausstraße und Burgstraße.

1868 brannte es wieder. Das Feuer wütete in der Langen Straße zwischen Stubenstraße und Hotel Illemann und in der Papenstraße und Scheunenstraße. 40 Wohnhäuser und 7o Hintergebäude wurden zerstört.

Der letzte Großbrand ereignete sich am 2.September 1883. Hierbei wurden 34 Wohnhäuser und etliche Nebengebäude vernichtet. In der »Göttinger Freien Presse« vom 4.9.1883 war zu lesen: »Das Feuer brach am Sonntag Abend gegen 9 Uhr im Hause des Stellmachers Kleinsorge hinter dem Rathause aus und verbreitete sich bei dem starken Winde mit Blitzesstelle nach beiden Seiten. Bedeutende Vorräthe von Gerberlohe, welche seit mehreren Jahren in dem der Brandstätte nahe gelegenen Hause des Lohgerbers Tolle lagerten, sowie große Vorräthe von Tabak des Fabrikanten Ellermeyer boten den Flammen reichen Nahrungsstoff. Zwei Straßen mit 34 Wohnhäusern, viele Scheunen, Stallungen und Nebengebäude nebst den eingebrachten Erntevorräthen wurden Raub der Flammen…. Der mutmaßliche Brandstifter ist gestern Nachmittag durch die Gendarmerie in Lenglern verhaftet.«

Lange Straße (Signatur he_0057)

Zerstört wurden die Häuser zwischen der Stadtmauer an der Hinterstraße und der Südseite der Langen Straße vom Haus Nr.19 bis zum heutigen Lindenplatz und an der Nordseite Nr.2 (Kaufhaus Fischer-Schmitt) und Nr.4 (früher Krengel). Die Häuser in diesem Bereich der Langen Straße wurden mit der Längsseite zur Straße mit einem Backsteinmauerwerk wieder aufgebaut. Somit gibt es in der Lange Straße kein einheitliches mittelalterliches Bauensemble, sondern Häuser, die aus dem frühen 18. Jahrhundert mit Giebel zur Straße und aus dem späten 19. Jahrhundert mit Längsseite zur Straße stammen.

Die Lange Straße war die Einkaufsstraße der Bürger..innen. 1970 befanden sich hier noch fast alle Geschäfte für den täglichen Bedarf.

Lange Straße/Ecke Stubenstraße (Signatur te_0526)

Bis Anfang der 1970er Jahren lief die Bundesstraße 241 mit Schwerlastverkehr durch die Lange Straße. Besonders in Manövern, wenn schwere Panzer durch die Straße fuhren, zitterten die Häuser.

Quellen:
Ludwig Simon, Der große Brand von Hardegsen am 24.12.1678 und der Wiederaufbau der Stadt
Karl Lechte, Hardegsen in Feuersnöten, in: Geschichte der Stadt Hardegsen