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Göttinger Straße 24 – Geschichte des Hofes Korengel

von Andreas Lindemeier

Hohe räumliche Mobilität, starke Frauen, die in Krisenzeiten das Heft in die Hand nahmen, und Einfallsreichtum in Geschäftsdingen zeichnen die 150jährige Geschichte der Familie Korengel aus. Darüber hinaus engagierten sich die Bewohner des Hofes an der Göttinger Straße ehrenamtlich für das Gemeinwesen. Doch die Familie fand sich auch immer wieder vor große Herausforderungen gestellt, die Einfallsreichtum und Anpassungsbereitschaft erforderten.

Das Rumannsche Haus zieht von Göttingen nach Hardegsen

Das Haus Korengel in der Göttinger Straße 24 hat im wahrsten Sinne des Wortes eine bewegte Geschichte. Es stand nämlich früher in Göttingen und ist mit seinem Besitzer Gustav Korengel sen. nach Hardegsen umgezogen.
Das Haus hatte bis 1911 seinen Platz in Göttingen am Nikolausberger Weg 15, gegenüber dem Botanischen Garten am nördlichen Rand der Stadt, hinter dem damals die Kornfelder begannen.

Hof Korengel 1909 in Göttingen (Signatur li_1154)

Das Rumannsche Haus, 1909 am Standort in Göttingen, rechts ein Anbau, in dem wahrscheinlich die Sanitärräume untergebracht waren.

Im März 1852 kaufte Ernst Friedrich Ludwig Rumann das Gartengrundstück mit Haus. (1) Die bekannte Familie Rumann hatte im 16. Jahrhundert ihren Wohnsitz von Northeim nach Göttingen verlegt und kehrte am Anfang des 20. Jahrhunderts dorthin wieder zurück.

Anfang Juni 1853 quartierte sich zunächst der 21jährige österreichisch-ungarische Violinist, Dirigent und Komponist Joseph Joachim kurzzeitig im Rumannschen Haus ein. (2) Er hatte in Wien und Leipzig studiert, war 1849 von Franz Liszt als Konzertmeister nach Weimar geholt worden und hatte Anfang 1853 beim Hoforchester Hannover eine Anstellung gefunden. Nach Göttingen kam der junge Joachim auf »Bildungsurlaub«. In seiner dienstfreien Zeit besuchte er Vorlesungen an der Universität.

Ende Mai hatte Joseph Joachim den damals 20jährigen Johannes Brahms in Hannover getroffen. Als Brahms am 4. Juni 1853 mit dem Geiger Eduard Remenyi nach Göttingen in das Gasthaus Krone in der Weender Straße kam, schickte Joachim beiden umgehend eine Einladung, um gemeinsam zu musizieren. Allerdings fand dieses Treffen nicht im Rumannschen Haus statt.

Michael Schäfer schreibt im Göttinger Jahrbuch 2003: »Nikolausberger Weg 15 … In diesem Hause aber hat, so hat es Emil Michelmann in mehreren Veröffentlichungen ausgeführt, entgegen den Göttinger Legenden Brahms nicht gewohnt.« (3)

Bevor Brahms und Remenyi Mitte Juni 1853 Göttingen verließen, um mit einem Empfehlungsschreiben von Joachim Franz Liszt in Weimar zu besuchen, machten sie im Nikolausberger Weg 15 einen Abschiedsbesuch bei Joseph Joachim. (4)

Kurz darauf zog dann Joachim aus dem Rumannschen Haus in das Krügersche Gartenhaus im Nikolausberger Weg 21 zu einem Buchhändler namens Vogel. Anfang Juli 1853 kam Brahms zurück nach Göttingen und wohnte bis Ende August des Jahres bei Joachim im Haus Nr. 21. Dort komponierte Johannes Brahms einige kleine Werke, ehe er und Ludwig auf getrennten Wegen Göttingen verließen.

Die Erben und Nachkommen von Ludwig Rumann verkauften das Haus 1909 an den preußischen Staat. Auf dem Grundstück sollte ein Seminargebäude der Universität neu gebaut werden.

Gustav Korengel sen. kaufte das leerstehende Haus 1911, zerlegte es und transportierte es mit Pferdegespannen und Ackerwagen nach Hardegsen. Auf dem Grundstück an der Espolde baute er das durchnummerierte Ständerwerk wieder auf. Da dieser Standort sehr oft von Hochwassern der Schöttelbeeke und Espolde betroffen war, wurde das Fachwerkgerüst auf einen hohen Sandsteinsockel gesetzt. Die Gefache wurden mit Lehm und Stroh in einem Drahtgeflecht ausgefüllt. Später wurde es mit Zement und einem Perlmuttputz überstrichen, was der Außenfassade einen leichten regenbogenfarbigen Glanz gab. Auf das Dach kamen neue Ziegel.

Die Geschichte der Familie Korengel

Die Familie Korengel wohnte vor dem Umzug in die Göttinger Straße am Rollberg, heute untere Burgstraße, zwischen Langer Straße und Hinterstraße.

August Korengel, geboren 1822 in Hardegsen, gestorben 1903, war von 1876 bis 1895 Bürgermeister in Hardegsen. Er war in erster Ehe verheiratet mit Mathilde Wolter, geboren 1827, gestorben 1860 im Alter von 33 Jahren bei der Geburt ihres vierten Kindes.

Die Oldenburger Zeit

Als zweites Kind der Eheleute wurde Gustav Korengel 1856 in Hardegsen geboren. Wie seine Vorväter wurde er Schlachtermeister. Er verließ Hardegsen und ging in die Nähe von Oldenburg. Vermutlich war das die ursprüngliche Herkunftsregion der Familie Korengel. Schon im 16. Jahrhundert taucht der Name »Chorengel« in Oldenburger Dokumenten auf. Das Oldenburger Wappen hing später stets im Hardegser Haus.

Gustav Korengel heiratete 1885 in Wiefelstede Hermine Martens. Nach zwei Töchtern kam am Weihnachtsabend des Jahres 1895 ihr erster Sohn Gustav Korengel jun. in Osternburg, einem Ortsteil von Oldenburg, zur Welt. Gustav Korengel sen. hatte dort eine Wurstfabrik aufgebaut und vertrieb seine Waren deutschlandweit. 1891 erhielt er das Oldenburger Zertifikat »Hoflieferant«, das an seine Person gebunden war. Drei Jahre darauf erwarb er ein großes Haus in der Kanalstraße 5, das er 1906 wieder veräußerte (5).

In diesen Oldenburger Jahren kaufte Gustav Korengel sen. am Standort der heutigen Hofstelle an der Göttinger Straße in Hardegsen ein Grundstück mit einer kleinen Scheune darauf. Dort sollten Ochsen gemästet werden, die zur Schlachtung in Oldenburg vorgesehen waren. Nebenbei war Korengel als Viehhändler aktiv und erwarb zu diesem Zweck etwa 15 bis 20 ha landwirtschaftliche Fläche in Hardegsen. Weiterhin fügte Gustav Korengel sen. die Ölmühle, heute Zimmerei und Sägewerk, seinen Besitztümern hinzu. Sie wurde später einer seiner Töchter vererbt. Allerdings geriet der Betrieb in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde deswegen aufgegeben.

Die Göttinger Zeit

1898 erfolgte der Umzug der Familie Korengel von Oldenburg nach Göttingen in die Rote Straße 34, in das Holbornsche Haus. Dort arbeitete Gustav Korengel sen., der vormalige Oldenburger Hoflieferant, als Schlachtermeister weiter.

Im Jahr 1901 wurde das vierte Kind und der zweite Sohn der Familie, Adolf Korengel, in Göttingen geboren. Im Alter von etwa fünf Jahren erlitt er einen schweren Unfall. Die Steinböden im Haus wurden üblicherweise mit Dosenwurstbrühe poliert, die leicht fettig war und dem Boden Glanz verlieh. Der Junge rannte durch den Flur und fiel in den Zuber mit der fast kochenden Brühe. Sein linker Arm war danach stark vernarbt. Er wurde so traumatisiert, dass er zeitlebens immer zusammenzuckte, wenn er die Sirene eines Rettungswagens hörte.

Adolf war ein agiles und beliebtes Kind. Seine Göttinger Mitschüler mochten ihn, weil er immer gute Wurst auf seinem Pausenbrot hatte, das er manchmal gegen die Butterbrote seiner Mitschüler eintauschte. Hatte er nachmittags keine Lust, seine Hausaufgaben zu machen, entschwand er über den Hof durch den hinteren Toreingang an der Göttinger Mauerstraße.
Der alte und imposante Gebäudekomplex in der Roten Straße befand sich seit 1789 im Besitz der Metzgerfamilie Holborn. Als die letzten Nachfahren verstorben und keine Erben zu ermitteln waren, wurde es 1905 unter dem Namen »Holborn-Stiftung« der Stadt Göttingen zum Eigentum übertragen. Mit der Übergabe war die Auflage verbunden, das Haus als Unterkunft für Bedürftige zu verwenden.

Mit der Übergabe des Holbornschen Hauses an die Stadt Göttingen wurde klar, dass sich Gustav Korengel sen. nach einer neuen Bleibe für seine Familie umschauen musste.

Zu diesem Zweck kaufte Gustav Korengel sen. 1911 das Rumannsche Haus vom Fiskus und baute es im Nikolausberger Weg 15 in Göttingen ab. Zum Jahreswechsel 1911/1912 verfrachtete er das Ständerwerk des stattlichen Hauses auf Pferdewagen nach Hardegsen und baute es auf seinem Grundstück an der Espolde wieder auf.

Rückkehr nach Hardegsen – Neubeginn mit Landwirtschaft

Um das umgesiedelte Haus vor den häufigen Hochwassern der Espolde und Schöttelbeeke zu schützen, wurde das Ständerwerk auf ein Fundament aus dicken Sandsteinquadern gestellt. Dieser Bereich war begehbar und wurde als Wirtschaftsraum genutzt. Darin befanden sich Küche, Vorratsraum, Waschküche und die Backstube mit einem großen, gemauerten Backofen. Darunter gab es keinen Keller. Der Lehm, mit dem die Gefache zwischen den Balken ausgefüllt wurden, wurde vor Ort neu angemischt. Die heutige Haustür stammt noch original aus dem Rumannschen Haus. Man baute auch die ursprünglichen Doppelflügelfenster wieder ein, sie wurden erst später erneuert.

Korengel (Signatur li_0152)

Hochwasser dringt immer wieder auf das Grundstück, hier 1998

In das untere Geschoss wurde eine an die Eigenheiten des Ortes angepasste »Frankfurter Küche« eingebaut. 1926 von Margarete Schütte-Lihotzky entworfen, gilt sie als Urtyp der modernen Einbauküche. Alle wichtigen Dinge sollten mit einem Handgriff erreichbar sein, um die Arbeitsgänge zu verkürzen. Schütten aus Glas und Aluminium in verschiedenen Größen wurden direkt in das Sandsteingemäuer eingepasst, in einer Höhe, die für Hochwasser und Kinderhände nicht zu erreichen war. Auf diese Weise wurde das Gebäudefundament zum Einbauschrank gemacht. Die Steingutspüle hatte zwei Becken, links daneben in der Ecke befand sich ein separates Handwaschbecken. Zum Kochen verwendete man einen Kohleherd.

Die Küche war der Mittelpunkt des Hauses. Wenn Besuch kam, saß man dort zusammen. Vor der Eckbank stand ein großer Küchentisch, der bei Bedarf mit einem zusätzlichen Steckbrett verlängert werden konnte. Auf den Tisch kam nicht nur das Essen, dort wurden auch Babys gebadet und gewickelt, gebügelt und Schulaufgaben gemacht. Vor dem Küchenschrank stand, je nach Bedarf, der Laufstall für das kleinste Familienmitglied. Am Tisch gab es eine feste Sitzordnung.

Der Bürgermeister a.D. und alte Schlachtermeister August Korengel war 1903 im Alter von 80 Jahren gestorben. Er hat nicht erlebt, wie sein Sohn Gustav sen. nach Hardegsen zurückkehrte.

Gustav Korengel jun., der erste Sohn der Familie, hatte zunächst als Verwalter auf dem Groteschen Hofgut in Jühnde gearbeitet. Dort lernte er die Landwirtschaftstochter Berta Kawe, geboren 1895, kennen, die er 1922 in Jühnde heiratete.

Hof Korengel (Signatur li_1155)

Verlobung von Gustav Korengel jun. und Berta Kawe 1921

oben: Herrmann Wesche, Adolf Korengel, Berta & Gustav Korengel, Emil Flebbe, Kaufmann und Schneidermeister

unten: Walter Flebbe, Louise Wesche, geb. Korengel, Hermine und Gustav Korengel sen., Margarete Flebbe, geb. Korengel, mit Anneliese und Gisela

Nach dem ersten Weltkrieg, in der wirtschaftlich schwierigen Zeit der Inflationsjahre, bauten Gustav jun. und Berta Korengel den Betrieb in Hardegsen auf. Sie waren die ersten Landwirte in der Familie. Berta war als Hauswirtschaftsmeisterin auch für die Ausbildung der Lehrlinge zuständig.

Im Juli 1923 wurde der erste Sohn, Hermann, geboren. Um eine Kinderbadewanne für ihn zu kaufen, musste eine Billion Mark gezahlt werden.

1930 baute Gustav Korengel sen. vor die Scheune einen Schweinestall. Da dieser im Hochwassergebiet lag, wurde die Baugenehmigung verweigert. Es wurde trotzdem gebaut, Gustav bezahlte eine Strafe und der Stall blieb stehen.

Im Jahr 1930 wurde der zweite Sohn, Dietrich Korengel, geboren, in der Familie Dieter genannt. Im Alter von drei Jahren erkrankte er an Kinderlähmung. Besonders seine Wirbelsäule war infolge dieser Krankheit betroffen. Mit Gipsbett und Metallgestell für den Brustkorb sollte der Verkrümmung der Wirbelsäule Einhalt geboten werden – allerdings mit mäßigem Erfolg, dafür mit quälenden Schmerzen.

Zwei Jahre darauf verstarb im Alter von 75 Jahren der Schlachtermeister, Viehhändler und ehemalige Oldenburger Hoflieferant Gustav Korengel sen. Im März 1939 verschied seine Ehefrau Hermine, kurz darauf gefolgt vom Sohn Gustav jun., der im April 1939 im Alter von 43 Jahren nach kurzer Krankheit in einer Göttinger Privatklinik starb.

Kriegszeiten und Nachkriegszeit

Während der folgenden Kriegsjahre lagen die Geschicke des landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand von Berta Korengel. Hermann, der ältere Sohn, wurde im zweiten Weltkrieg eingezogen und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. So arbeitete schon sehr früh der junge, gesundheitlich gehandicapte Dieter mit und unterstützte die Mutter. Er besuchte die Landwirtschaftsschule und verbrachte einige Monate Lehrzeit in Ostfriesland.

Als nach dem Krieg die Amerikaner in Hardegsen eingerückt waren, hatten sie kurzerhand das Korengel-Anwesen beschlagnahmt. Berta und Dieter wurden auf der Suche nach Obdach im Haus von Dr. Bredenschey aufgenommen. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass sie denunziert worden waren und aufgrund der Anzeige den Hof hatten räumen müssen. Der Grund: Berta Korengel hatte die polnischen Arbeitskräfte, die während des Krieges auf den Hof geschickt worden waren, beim Essen mit am Tisch sitzen lassen. Berta kehrte entschlossen ins Haus zurück und stellte den Amerikanern gegenüber klar, dass wer mit ihr zusammenarbeite, auch mit ihr an ihrem Esstisch sitze. Das machte Eindruck, Berta und Dieter konnten zurückkehren.

Infolge des Krieges kamen auch die Heimatvertriebenen, die Wohnraum in Hardegsen zugeteilt bekommen hatten. Das Haus Korengel wurde voll. Oben wohnte Frau Runde, die beim Einkaufen half und die in ihrem Zimmer Pflaumenmus kochte.

Als Flüchtlinge zog auch die Familie Tschubinow für kurze Zeit ein. Constantin Tschubinow war ein Agraringenieur und leitete riesige Betriebe in Ostpreußen, bevor er mit seiner Frau Margarete nach Hardegsen floh. Berta Korengel übernahm die Patenschaft für Gabriele und Michael, die Kinder der Tschubinows. Jahrelang bewarb sich Constantin als Experte für Ackerbau und Viehzucht um neue Arbeitsfelder in Übersee. 1951 gelang es der Familie, über Genua nach Ecuador auszuwandern.

Ganz oben unterm Dach im Hause Korengel wohnte in dieser Zeit die Familie Johannes und Monika Kuptz mit ihren beiden Kindern, auf gleicher Ebene separat Frau Betzin. Eine Etage tiefer lebte bis in die 1970er Jahre Ida Hilke. Sie passte auf die Kinder auf und sorgte für den Treppenputz.

Noch während des Krieges war Berta Korengels Schwester Helene, verheiratete Bullerdiek, mit ihrer Tochter Ingeborg ins Haus gekommen. Ihr Mann, der Offizier Heinz Bullerdiek, war nach kritischen Äußerungen von Russland nach Italien strafversetzt worden. 1944 konnte er einen kurzen Heimaturlaub in Hardegsen bei seiner Familie verbringen. Am 1. Mai 1945 kam dann ganz überraschend Gerhard Bullerdiek im Haus Korengel zur Welt. Die Eltern waren schon 47 und 49 Jahre alt und hatten nicht mehr mit Nachwuchs gerechnet. Nach Kriegsende zogen auch Heinz Bullerdiek und der ältere Sohn der Familie, Heinz-Hermann, ins Korengelhaus. Heinz wurde nach Kriegsende Religionslehrer in Hardegsen und bekam 1949 eine Festanstellung als Lehrer und eine Wohnung in Lutterhausen.

Adolf Korengel, der zweitgeborene Sohn von Gustav Korengel sen. und jüngere Bruder von Gustav jun., kehrte aus dem Osten Deutschlands nach Hardegsen zurück. Seine Frau Friedchen, geborene Bünemann, und er wohnten auch im Haus an der Göttinger Straße. Friedchen verstarb Mitte der 1950er Jahre, Adolf Ende der 1970er Jahre.

Dieters älterer Bruder Hermann kam 1949 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hardegsen zurück. Als Erstgeborener hatte er Anspruch auf die Hofnachfolge, verzichtete aber darauf. Er heiratete Olga Buchholz und übersiedelte in die nördliche Lüneburger Heide. Dort bewirtschafteten die Eheleute einen Bauernhof in Quarrendorf. Das Ehepaar bekam zwei Söhne, Hermann und Ludwig.

Daher übernahm Dieter bereits in jungen Jahren den elterlichen Betrieb. Tiere und Landwirtschaft waren seine Leidenschaft. Aber auch technisch zeigte er Interesse und Geschick. Dieter liebte Autos, und er baute in der Espolde, der Zeit weit voraus, ein Wasserrad zur Energiegewinnung. Er besaß früh ein Tefifon, ein Vorläufer des Tonbandgerätes, mit dem man Stimmen und Musik aufnehmen konnte. Er kaufte eine Eismaschine, um Speiseeis zuzubereiten.

Korengel (Signatur li_0102)

Steinbreitenfest 1959: Dieter Korengel reitet auf einem Ochsen im Umzug mit, was ihm große Freude bereitete, hier in der Sohnreystraße

Dieter Korengel heiratete 1957 Else Mecke. Vier Kinder wurden geboren: Beate, Christiane, Gerald und Dietrich. Dieter verstarb auf Grund seiner schweren Vorerkrankung 1965 im Alter von nur 36 Jahren.

Erst Else, dann Gerald Korengel übernehmen den Hof

Wie schon Berta Korengel während des zweiten Weltkrieges übernahm wieder eine Frau die Verantwortung für den Betrieb. Else Korengel begann Ende der 1960er Jahre, den Unterhalt der Familie mit zehn Sauen und zweitausend Legehennen abzusichern. Das Land war in der Zwischenzeit verpachtet worden.

Mitte der 1970er Jahre heiratete Else Korengel Rudolf Römer. Aus dieser Ehe entstammt die Tochter Claudia. Rudolf Römer bewirtschaftete weiter seinen eigenen Betrieb in Lippoldsberg.

Über sechzig Jahre bestimmte Else Römer-Korengel die Geschicke des Betriebes in dem Haus an der Göttinger Straße. Bis zu ihrem Tod 2018 bildete sie den Mittelpunkt der Familie.

Nach dem frühen Tod des Vaters erbte der Sohn Gerald bereits mit sieben Jahren den elterlichen Betrieb. Es wurde zu diesem Zeitpunkt festgelegt, dass er bis zu seinem 25. Geburtstag entscheiden müsse, ob er das Erbe antrete oder es ausschlage.

Gerald machte eine Landwirtschaftslehre, absolvierte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und begann ein Landwirtschaftsstudium in Witzenhausen. Noch während er seine Diplomarbeit schrieb, wurde er 25 Jahre alt und musste sich entscheiden, wie es mit dem elterlichen Betrieb weitergehen solle. Gerald brach sein Studium ab und stieg in den Betrieb ein.

Er wollte einen Direktvermarktungsbetrieb schaffen, so, wie seine Mutter ihn begonnen hatte. Seine Devise lautete: Nur das ausgeben und investieren, was erwirtschaftet wurde. Es wurde ein erfolgreicher Weg in kleinen, abgesicherten Schritten.

Erweiterung des Betriebes

Im Jahr 1985 heiratete Gerald Korengel Heike Müller. Sie wurde für ihn in der Betriebsführung zu einer wichtigen Partnerin. Eine erste Idee, auf dem Hof eine landwirtschaftlich orientierte Seniorenwohnanlage zu errichten, in der die Bewohnerinnen und Bewohner kleine Aufgaben im Betrieb übernehmen, wurde aufgegeben.

Anfang der 1970er Jahre wurde die Außenfassade des Wohnhauses behängt und das Dach neu gedeckt.

Da das eigene Ackerland verpachtet war, erwarb Gerald einen kleinen Trecker und mähte Wald- und Wegesränder ab, um Futter für die Tiere zu haben. Als erstes kaufte er fünf Bullenkälber, mästete sie, ließ sie schlachten und vermarktete das Fleisch auf dem Hof. Außerdem kamen Junghennen in den Betrieb.

Stück für Stück holte Gerald sein Land aus der Pacht zurück und kaufte später weiteres dazu. Schließlich bewirtschaftete er vierzig Hektar Land. Dabei handelte es sich überwiegend um Grünland, und auf rund fünfzehn Hektar wurden Getreide und Kartoffeln angebaut.

Er mästete Enten, Gänse und Puten und vermarktete sie direkt. Der Verkauf erfolgte aus Küche und Flur des Wohnhauses heraus.

Der Mastbetrieb wuchs auf eine Größe, für die ein eigenes Schlachthaus erforderlich wurde. Ein Teil des Schweinestalls wurde nach Vorgaben des Veterinäramtes umgebaut. Dadurch ergaben sich zwei weitere Probleme: Zum einen wurde der Bau eines separaten Verkaufsladens notwendig, zum anderen musste nach Aufforderung der Handwerkskammer ein Schlachtermeister eingestellt werden.

Der Laden sollte neben dem Wohnhaus direkt an der Göttinger Straße entstehen. Die Bodenplatte wurde gegossen und eine größere vormontierte Holzhütte bestellt. Bei einer Ortsbesichtigung bestand das Veterinäramt darauf, dass der Verkauf von Wurst- und Fleischwaren nur in einem Massivbau erfolgen könne. Die Holzhütte wurde zurückgegeben und das Gebäude für den Laden gemauert. 1999 erfolgte seine Einweihung.

Hof Korengel (Signatur hae_0231)

Gerald Korengel 1999 vor seinem neuen Hofladen

Um keinen Fleischermeister einstellen zu müssen, besuchte Gerald ab 2000 die Meisterschule. Er verband die schulische Ausbildung in Northeim mit einem sechswöchigen Intensivkurs im Ruhrgebiet und durfte sich ab 2002 Fleischermeister nennen. Kurz darauf kaufte Gerald Korengel einen weiteren Geflügelmastbetrieb in Albershausen. Im Jahr 2016 erwarb er dort noch ein angrenzendes Haus.

Ebenso wie seine Vorfahren setzte sich Gerald Korengel ehrenamtlich für das Gemeinwesen in der Stadt ein. Fünfzehn Jahre lang war er Ratsherr und Mitglied des Kirchenvorstandes. Sein Sohn Gerrit und sein Schwiegersohn Patrick führen das Engagement als Ratsherren weiter.

Korengel (Signatur li_0176)

1998 brachte das Hochwasser vor allem über die Schöttelbeeke aus der Paschenburg das Hochwasser auf das Grundstück

Das Leben mit dem Hochwasser gehörte von Anfang an zum Alltag der Familie. Bei Gefahr werden heute vor allem die Abflüsse und die Kanalisation abgeschottet, damit kein Grundwasser in das Haus an der Landwehr dringen kann. Elektrische Großgeräte stehen auf Sockeln, die Steckdosen sind auf Arbeitshöhe angebracht.

Gerald und Heike Korengel haben drei Kinder: Gerrit und Jelka Korengel, geb. Hilke, Anna-Lena und Patrick Korengel, geb. Heinze und Julia Korengel.

2018 wurde der Betrieb an die nächste Generation übergeben. Den Hofladen und die Landwirtschaft übernahm Sohn Gerrit; den Pferdebetrieb, den Kutschbetrieb und die Reitanlage führen die Töchter Anna-Lena und Julia weiter.

Der Familiensitz an der Göttinger Straße 24 wurde in den letzten Jahren von Gerrit und Jelka Korengel aufwendig modernisiert. Sie haben drei Kinder, Gidian, Ole und Ella, die das Haus mit Leben füllen.

Patrick und Anna-Lena Korengel kauften 2018 das Nachbargrundstück mit dem Haus Landwehr 5, ehemals Peters, und bauten es zu einem Dreifamilienhaus um. Sie zogen dort mit ihren Kindern Christian und Carlotta ein, ebenso die Schwester Julia mit ihrem Lebensgefährten. Auch Gerald und Heike Korengel wohnen jetzt abwechselnd hier und in Albershausen. Dort kümmert sich Gerald weiter um den Geflügelmastbetrieb.

Hof Korengel (Signatur li_1150)

Das Haus 2019 von Norden aus gesehen

(1) Tilo Rumann, 200 Jahre Göttinger Geschichte von 1700 – 1900, Duderstadt 2015
(2) Hans Küntzel, Brahms in Göttingen, Göttingen 1985
(3) Michael Schäfer, in Göttinger Jahrbuch 2003, Bd. 51, S. 155-160
(4) Hans Küntzel, Aber Fesseln tragen kann ich nicht, Steidl Verlag, Göttingen 2003
(5) Heinz Frerichs, 150 Jahre Kanalstraße, Oldenburg 2020
(6) www.holborn.com

Herzlicher Dank gilt Christiane Korengel-Rittmeier und Gerald Korengel für die vielfältigen Informationen zu ihrer Familiengeschichte.

Mit freundlichem Dank an die Stadtarchive Northeim und Göttingen für die Bereitstellung von Literatur und Fotos.

Lektorat Susanne Hösel